«Du musst sein wie eine Biene»
Auf Besuch bei Franco Federico, Chef de Bar im Bellevue Palace
Es gibt Menschen, die sind eins mit ihrem Beruf. Franco Federico ist so ein Mensch. Seit zwanzig Jahren ist er Chef de Bar im Hotel Bellevue Palace in Bern. Das Geheimnisvolle ist, dass man sich in seiner Gegenwart immer wohl fühlt und nicht weiss warum.
Was ist ein guter Drink, Herr Federico? Er hält den Shaker locker in beiden Händen, schüttelt ihn gelassen mal links, mal rechts am Kopf vorbei. Dann giesst er den Inhalt in das vorgekühlte Cocktailglas. «Et voilà, der Papillon», sagt er. Der Papillon ist Franco Federicos eigene Kreation. Die Ingredienzien: Scotch, Baileys, Mandarinen-Likör. «Zwei, zwei, zwei» sagt Frederico. Dann zeigt er die Flasche mit dem Mandarinen Likör. «Napoleon, sehr gutes Produkt». 1998 wurde Federico mit dem Papillon Schweizermeister.
Franco Federico ist der Chef de Bar des Hotels Bellevue Palace in Bern. Fünf Sterne, Luxus, gehobener Stil. Das Bellevue Palace liegt in unmittelbarer Nähe des Bundeshauses. Die Terrasse ist der Logenplatz der Stadt Bern. Von hier aus sieht man die Aare, den Gurten, die Alpen. Wer Rang und Namen hat in dieser Welt, kam schon in der legendären Bellevue-Bar vorbei.
An diesem Abend läuft im Hintergrund sanfter Jazz, das Licht ist angenehm gedimmt, die Stimmung ist fröhlich, aber unaufgeregt. Welche Berühmtheiten haben sie schon bedient und was tranken sie? «Nein, nein», sagt Federico. «Das ist in einer Schublade.» Eigentlich ist es keine Schublade, sondern ein Tresor, und der heisst Franco Federico und bleibt verschlossen.
In diesem Jahr wird Franco Federico zwanzig Jahre im Bellevue angestellt sein. Aber von diesem Jubiläum spricht er nicht. Auch nicht davon, dass er im Juli 60 Jahre alt wird. Erwähnenswert aber ist: Franco Federico verkörpert etwas, das ein Haus, wie das Bellevue, jeden Tag suchen muss: Perfektion.
Die schwarzen Haare sind ein halbrunder Kranz um einen kahlen Kopf. Wenn er geht, fällt der Kopf leicht nach hinten und das Kinn flieht. Sein Gesicht ist offen und freundlich. Der sanfte Blick ist etwas schüchtern, aber aufmerksam. Die Körperhaltung eine elegante Mischung aus Ausgeglichenheit und Spannung. Der schwarze Anzug sitzt wie eine zweite Haut. Sein Händedruck ist weder zu kräftig noch zu schwach und die Dauer genau richtig. Die Hand weder zu kalt noch zu warm.
Deutsch spricht Franco Federico mit einem sympathischen italienischen Akzent. Manchmal bringt er den Satzbau durcheinander. Etwa so: «Alles muss passieren in angenehmer Form.»
Angenehm. Das ist ein richtiges Wort. Aber es erklärt nicht alles. Auf den ersten Blick macht Franco Federico seine Arbeit nicht besser, als seine Kollegen. Im Bellevue muss jeder sehr gut sein. Das Geheimnisvolle ist, dass man sich in seiner Gegenwart immer wohl fühlt und man nicht genau sagen kann, warum.
«Du musst sein wie eine Biene. Du musst jede Blume bestäuben», sagt Franco Federico. «Sie dürfen nicht zehn Minuten mit einem Gast verbringen, wenn ein anderer wartet.»
Der Negroni ist Franco Federicos bevorzugter Drink. «Er ist ein klassischer Cocktail aus Italien», sagt er. Federico nimmt drei Flaschen vom Regal und giesst je zwei Zentiliter Campari, roten Wermut und Gin direkt in ein Glas und rührt um. Dazu kommt ein Orangenschnitz. «Wenn man mich fragt, empfehle ich immer den Negroni.»
Federico ist in ständiger Bewegung. Sein Blick immer leicht suchend, beobachtend. Er reagiert auf jede Regung im Raum. «Ich bin mehr vor der Bar, als hinten», sagt er. Es gebe immer etwas zu tun. Die Streichhölzer, die Aschenbecher, die leeren Gläser, die Kissen, die Stühle, die Tische, die Nüsse, die Kasse. Seine Bewegungen sind nie hastig, die Handgriffe immer präzise.
Wenn Federico durch die Bar geht, schwingt der rechte Arm leicht mit oder verankert sich hinter dem Rücken. Der Linke indes ist stets vor dem Körper - angewinkelt.
«Ich bin ein Mensch, der gerne Ordnung hat», sagt er. Deshalb sei ihm auch wohl in der Schweiz. «Wir Südländer sind kreative Menschen. Aber nicht unbedingt so ordentlich.» Nach so vielen Jahren sei er wohl mehr Schweizer, als Italiener.
Federico stammt von der Insel Capri, in Süditalien, am Golf von Neapel. In die Hotellerie kam er so: «Das ging ganz automatisch», sagt er. Capri sei eine touristische Insel. Bereits als 13-Jähriger arbeitete er im Sommer in einer Bar. «Johnnys», sagt er, schüttelt den Kopf und lächelt. Dann folgte die Hotelfachschule. Danach sagte er zu sich selber: «Im muss meine Zeit nutzen, etwas Anderes zu sehen. Sprachen lernen und so weiter.» Dann folgte eine zwanzig Jahre andauernde Odyssee. Die Wintermonate in Arosa und Crans-Montana. Die Sommer in Montreux, England und Belgien. 1996 kam er nach Bern ins Hotel Bellevue-Palace. Heute lebt er im Quartier Kirchenfeld, als Doppelbürger, verheiratet und hat zwei Kinder. Auch Zuhause habe alles seine Ordnung. «Das ist im Blut.»
Was ist das wichtigste in ihrem Beruf? «Mise en Place, ganz klar.» sagt er. «Vorbereitung. Sauberkeit. Deshalb reden wir auch immer von Standard. Wissen Sie, der Gast weiss nicht, was vorher war, was vielleicht passiert ist. Für ihn ist alles neu. Darum muss alles perfekt sein.»
Das ist es dieses Wort: Perfekt. Sind Sie perfekt? «Dass ich meine Arbeit perfekt mache, sage ich nicht», sagt Federico. «Aber die Motivation ist schon da, ja.»
Eine ältere Dame, die jede Woche ins Bellevue kommt, kennt « den Fränggu» gut. «Ach, der gehört bereits zum Inventar», sagt sie. «Er ist immer am Putzen. Immer präsent.» Der Hoteldirektor und ein Kollege an der Bar sagen beide dasselbe, als wäre es einstudiert: «Ausserordentlich ausgeglichen, korrekt und zuverlässig.»
Ausgeglichenheit, da ist wieder so ein Zauberwort. «Man muss seine Nerven und seine Reaktionen im Griff haben», sagt Federico. «Ich führe meine Leben so, dass ich während der Arbeit ruhig und ausgeglichen bin. Sonst herrscht sofort Chaos.»
Den abschliessenden Kaffee serviert Franco Federico mit einer silbernen Kanne dazu. «Milch?», fragt er. Danach folgt ein kurzes freundliches Lächeln. Franco Federicos Lächeln ist immer echt und kurz.
Gibt es denn keine schlechten Tage, schlechte Launen, Müdigkeit? «Es ist eine Kette und die ganze Kette muss immer perfekt sein», sagt er. «Ich probiere jeden Tag, dass die Gäste begeistert sind. Ich bin da.» Wie im Leben seien es die kleinen Veränderungen, die den Unterschied machten:
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