Ein Chromebook, so selbstverständlich wie ein Etui
Ein Besuch einer ICT-Schulstunde in Konolfingen
Es läutet zur grossen Pause. Samuel Jäggi sagt: «Hat jemand noch eine Frage?» Ein Dutzend Hände schiessen in die Höhe.
Mit der Pausenglocke geht für die Sek-Schüler der 7.Klasse in Konolfingen eine der ersten ICT-Schulstunden zu Ende. ICT? Das bedeutet: Informations- und Kommunikationstechnik.
Die Schule Konolfingen hat auf das neue Schuljahr ein Pilotprojekt gestartet, in dem neue Technologien und der Umgang mit Medien fest zum Unterricht gehören.
In der ersten Schulwoche bekamen die Schüler der 7.Klasse alle ein Chromebook ausgehändigt. Das Gerät wird nun jeden neuen Siebtklässler bis zum Schulabschluss drei Jahre später begleiten.
Samuel Jäggi ist der Verantwortliche des Pilotprojekts. Er unterrichtet seit 2001 in Konolfingen und arbeitet zudem beim Institut für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Bern.
Für ihn ist klar: «Informations- und Kommunikationstechnologien sind neben Lesen, Rechnen und Schreiben heute eine vierte Grundkompetenz, die zum Unterricht gehören muss.»
Die Unterrichtsstunde beginnt wie jede andere auch. «Guten Morgen Herr Jäggi», hallt es aus den Reihen. Danach öffnen die Schüler ihre Pultdeckel und nehmen ihr neues Gerät hervor.
Kurz darauf das erste Problem: «Keine Chance, dich irgendwie an das Passwort zu erinnern?», fragt Jäggi. Der Schüler mit Brille und Pilzfrisur schüttelt nur den Kopf.
Ein Chromebook sieht von aussen aus wie ein Laptop. Der Unterschied ist, dass die Anwendungen nur über eine Internetplattform laufen, genannt: Google Apps for Education. Die Daten werden nicht auf den Geräten abgespeichert, sondern im Internet in sogenannten Clouds.
«Ein Chromebook soll zum Arbeitsgerät werden, so selbstverständlich wie das Etui», sagt Bernhard Bacher. Er ist Abteilungsleiter Bildung der Gemeinde und ICT-Projektleiter.
Rund 300 Franken kostet ein Chromebook. 70 Geräte hat die Schule Konolfingen angeschafft. Für die Eltern entstanden dabei keine Kosten.
Mit den eigenen Geräten sollen sich die Schüler nicht nur Informatikkenntnisse aneignen, sondern auch den Umgang mit neuen Medien und dem Internet lernen.
Inzwischen sind die Passwörter eingegeben. An diesem Morgen geht es nur darum, die elektronischen Lehrmittel auf das Chromebook zu laden. Der Unterrichtsstoff für Englisch und Französisch befindet sich heute nicht mehr nur in Büchern, sondern auf kleinen Speicherkarten.
Wie sich herausstellt, sind die 12-Jährigen zwar an Smartphones gewöhnt und kennen das Internet ein bisschen, aber was sie hier im Unterricht lernen, ist Neuland. Die wenigsten wissen, wie man eine Datei hochlädt und am richtigen Ort abspeichert.
Doch nicht nur für die Schülerinnen und Schüler ändert sich der Unterricht. Auch Lehrer müssen in Zukunft umdenken. Im Video sagt Samuel Jäggi, was auf die Lehrer zukommt.
“Das wichtigste war, dass wir ein System haben, das einfach funktioniert”, sagt Bernhard Bacher. Heute seien nicht mehr die Lehrer dafür verantwortlich, dass die Infrastruktur funktioniere.
Sie müssten auch nicht besser über die neuen Geräte Bescheid wissen, als die Schüler. Die Aufgabe bestehe vielmehr darin, den Schülern aufzuzeigen, wie sie die neuen Technologien sinnvoll nützen können.
Auf ihren Geräten haben die Schulkinder freien Zugriff auf das Internet. In der Google-Umgebung ist aber ein starker Filter integriert, der anstössige oder unsichere Seiten sperrt. Zudem kann die Lehrperson nachverfolgen, welche Seiten der einzelne Schüler besucht hat.
Eine Kontrolle soll aber nicht nötig sein. Denn, dass die Kinder während der Lektion im Internet surfen, statt zuzuhören, gehört dazu.
«Wir bringen den Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Technologien bei», sagt Samuel Jäggi. Bernhard Bacher bestätigt: «Wir müssen vom Gedanken wegkommen, im Schulzimmer alles kontrollieren zu wollen. Stattdessen müssen wir Vertrauen schaffen.»
Neben der Sicherheit sorgten sich die Eltern auch um den Datenschutz. Bernhard Bacher kann beruhigen: «In die Cloud wird nur Unterrichtsmaterial abgespeichert. Personenbezogene Daten bleiben auf den Servern der Schule.» Ansonsten gälten die Richtlinien der Erziehungsdirektion des Kantons Bern (ERZ).
In einem Bericht gibt die ERZ ihre Empfehlungen zu den verschiedenen Cloud-Diensten ab. Zur Google-Lösung, wie sie die Schule Konolfingen anwendet, gibt die ERZ zu bedenken: «Solche Cloud-Dienste erfüllen nicht alle Anforderungen der Schweizerischen und Kantonalen Datenschutzgesetze», sagt Erwin Sommer, Leiter des Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung. Da sich die Server von Google im Ausland befinden, gilt nicht Schweizer Recht. Deshalb sollten keinesfalls personenbezogene Daten hochgeladen werden
Für ICT-Verantwortlicher Samuel Jäggi geht es heute nicht mehr nur um Datenschutz. Für ihn geht es heutzutage vor allem um Datenmanagement. Hören Sie, was er zu sagen hat:
Die zweite ICT-Unterrichtsstunde geht zu Ende. Es läutet zur grossen Pause. Samuel Jäggi sagt: «Hat jemand noch eine Frage?» Ein Dutzend Hände schiessen in die Höhe.
Samuel Jäggi ruft eine Schülerin auf. Sie sagt: «Wann dürfen wir das Gerät mit nach Hause nehmen?» «Nächsten Mittwoch», sagt Jäggi. Und schon gibt es keine Fragen mehr.
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