3000 Kilometer in einer unbekannten Welt
Der Trip durch Westchina und Kirgistan bietet faszinierende Einblicke in eine unbekannte Welt.
Vom leitenden Arzt über die Skilehrerin bis zum selbstständigen IT-Berater: Es ist ein ungewöhnliches Dutzend überdurchschnittlich reiseerfahrener Menschen, die sich für die von BZ Berner Zeitung und Globotrek ausgeschriebene Reise an die «Faszinierende Seidenstrasse» angemeldet haben.
Die Destinationen sind auch eher exotisch, Überraschungen so gut wie sicher: Startpunkt der Reise ist Urumqi, Hauptstadt der chinesischen Provinz Xinjiang. Ziel ist die kirgisische Hauptstadt Bischkek an der Grenze zu Kasachstan.
Dazwischen liegen gut 3000 Kilometer Wegstrecke, Höhenunterschiede von fast 4000 Metern und Temperaturschwankungen von 5 bis 50 Grad.
Die Stationen der Reise
Angespannte Lage
Der Westen ist die Kehrseite des Riesenreiches China. Weiter südlich sorgt die Besatzung Tibets seit Jahrzehnten weltweit für Schlagzeilen. In der Provinz Xinjiang versucht Peking unter weit geringerer Anteilnahme, die hier ansässige muslimische Bevölkerung der Uiguren unter Kontrolle zu bringen.
Das bekommt auch die Reisegruppe zu spüren: Polizei und Armee sind omnipräsent. Hier führt China seinen eigenen Krieg gegen den Terror. Nicht weniger als 96 Menschen kostete der Konflikt im Juli das Leben. Uiguren attackieren Chinesen. Polizei und Armee schlagen gnadenlos zurück. Eben erst richtete die chinesische Justiz acht angebliche Terroristen hin. Viele chinesische Touristen meiden die Gegend zurzeit. «Aber für alle anderen besteht keine Gefahr», erklärt der lokale uigurische Führer.

Faszinierendes Strassenleben
Auch ausländische Touristen werden mit Vorliebe zu jenen historischen Stätten geführt, die für den chinesischen Tourismus erschlossen worden sind. Begegnungen mit den Einheimischen sind trotzdem möglich.
In der Oase Turfan, einem riesigen Rebbaugebiet inmitten kahler Geröll- und Wüstenlandschaft, taucht die Reisegruppe erstmals ins faszinierende Treiben auf den belebten Strassen ein. Hier leben die Uiguren in den traditionellen einstöckigen Lehmhäusern, die im Sommer Schutz vor der mörderischen Hitze und im Winter vor der klirrenden Kälte bieten.
Minus 20 Grad wird es in der kalten Jahreszeit. Jetzt aber ist es 43 Grad im Schatten. An den versengten Flanken der «flammenden Berge» heizt sich der Fels tagsüber auf 80 Grad auf. In der Oase erwacht das Leben erst richtig, wenn die Sonne am Horizont steht.
Minus 20 Grad wird es in der kalten Jahreszeit. Jetzt aber ist es 43 Grad im Schatten.
«Vater der Eisberge»
Gegensätze in dichter Folge prägen den chinesischen Teil der Reise. Komfortable klimatisierte chinesische Hotels bieten der Reisegruppe Erholung von teilweise strapaziösen Langstreckenfahrten. Besonders die 24-stündige Zugreise entlang der berühmten Taklamakan-Wüste entpuppt sich als Enttäuschung. Statt, wie im Reisebeschrieb geschildert, «vorbei an Sanddünen und Oasen» rattert der chinesische Reisezug nachts an der riesigen Sandwüste vorbei.
Dafür bietet die Wüstenstadt Kashgar im Basar, am Viehmarkt und im historischen, nur in knappen Resten vor der chinesischen Zerstörung geretteten alten Stadtkern wieder zahllose orientalische Fotosujets. Der lokale Führer vermittelt interessante Einblicke in die Lebenswelt der Uiguren, die hier noch eine Mehrheit von 80 Prozent bilden.
Im wahrsten Sinne des Wortes ein Höhepunkt ist der zweitägige Ausflug an den Fuss des 7509 Meter hohen Muztagh Ata, den «Vater der Eisberge» im politisch explosiven Grenzgebiet zu Afghanistan, Tadschikistan und Pakistan. Der Anblick des wolkenfreien Eisriesen entschädigt für zwei mühselige Nächte in einem vernachlässigten chinesischen Jurtencamp.
Kontrast Kirgistan
Der Kontrast vom ebenso faszinierenden wie irritierenden China zum weitaus beschaulicheren Kirgistan hätte deshalb grösser nicht sein können. Als die Gruppe auf dem Torugart-Pass den Bus verlässt und zu Fuss mit ihrem Gepäck durch ein Eisentor über die einstige Aussengrenze zwischen der Sowjetunion und China schreitet, wird sie auf der andern Seite mit einem Picknick empfangen.
Das zauberhafte Jurtencamp an einer Gebirgsroute der Seidenstrasse liegt in einer Landschaft von majestätischer Schönheit. Die Gastfreundschaft der Hirten, die sich hier mit Tourismus ein Zusatzeinkommen verdienen, sorgt für zwei erholsame Tage, obwohl das Wetter trüb ist.

Wie einst
Kirgistan bezaubert durch eine intakte Natur. Das Land hat viel touristisches Potenzial. Immer wieder fühlt sich der Reisende in frühere Zeiten zurückversetzt. Auf jedem Miststock kräht ein Hahn, das Pferd ist ein allgemeines Fortbewegungsmittel, die Landwirtschaft nur kümmerlich mechanisiert. Zerklüftete Felsformationen leuchten in allen Farben und wechseln sich ab mit endlosen kargen Pferdeweiden. Jurten stehen neben einstöckigen Häuschen russischer Bauart mit hellblauen und rubinroten Toren.
Der Yssykköl-See, grösser als der ganze Kanton Bern, liegt zwar auf 1600 Metern Höhe, aber an seinen Sandstränden geht es zu wie am Mittelmeer. Paradiesisch, solange man nicht seinen Lebensunterhalt in diesem Land bestreiten muss, das seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion den wirtschaftlichen Anschluss sucht.
Die Reise endet nach achtzehn Tagen in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, in der ein pompöses Regierungsviertel, ein menschenleerer Bahnhof und heruntergekommene Plattenbauten vom gescheiterten Versuch der russischen Grossmacht zeugen, die Hirten am Rand ihres Imperiums zu domestizieren.
Paradiesisch, so lange man nicht seinen Lebensunterhalt in diesem Land bestreiten muss, das seit der Unabhängigkeit von der Sowietunion den wirtschaftlichen Anschluss sucht.
Im Abseits
Viel ist vom orientalischen Zauber auf diesem östlichsten Teil der Seidenstrasse im Gegensatz etwa zu den bekannteren Destinationen Samarkand und Buchara nicht mehr zu sehen. Umso eindrücklicher ist es, diesen Teil des Globus zu bereisen, den die Geschichte von seiner Lage an einer einst blühenden Handelsroute ins Abseits befördert hat.

Diese Reportage entstand im Rahmen einer BZ-Leserreise.
Die Reise wird wegen grosser Nachfrage von 17.Juli bis 3.August 2015 wiederholt. Weitere Informationen finden Sie hier: www.espacecard.ch/reisen
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