Zurück in die Zukunft

Auf Zeitreise in Malta und Gozo

Christian Häderli
Published in Grafik-Lab der BZ Berner Zeitung

Am Rad der Zeit drehen, in die Vergangenheit reisen: Unmöglich. Wer erfahren möchte, wie sich eine Zeitreise wohl anfühlen würde, der begibt sich ins Kino. Oder auf eine Reise von Malta nach Gozo. Denn unterschiedlicher könnten die beiden Schwesterinseln im Mittelmeer kaum sein.

Die Dunkelheit ist bereits über Malta hereingebrochen, als wir vom Flughafen her an die Küste fahren. Der Blick aus dem Fenster lässt trotzdem erahnen: Malta ist urban, pulsierend, modern. Wir erkennen Autogaragen, die teure Wagen verkaufen, Geschäfte von Immobilienhändlern, Shops, die rund um die Uhr geöffnet sind.

Von der grössten der drei Inseln aus, die der maltesische Archipel umfasst, bringt uns eine Fähre nach Gozo. Das Schiff ist das einzige öffentliche Verkehrsmittel, das die beiden sechs Kilometer auseinander liegenden Inseln miteinander verbindet. Dementsprechend rege wird es genutzt. Als wir kurz vor 22 Uhr auf Gozo ankommen, lässt sich der Gegensatz zu Malta bereits erahnen: Auf den Strassen ist Ruhe eingekehrt, es hat kaum Verkehr.

Erst bei Tageslicht offenbart sich dem Besucher, was Gozo wirklich ausmacht: Man fühlt sich nicht nur in der Zeit versetzt, sondern auch in der Kultur. Arabische und europäische Einflüsse prallen hier auf imposante Weise aufeinander und äussern sich in Baustil, Sprache und Mentalität. Teilweise schlecht oder gar nicht asphaltierte Strassen werden nicht als störend empfunden, sondern tragen zur Entschleunigung bei, die diese Insel ausstrahlt.

Worin bestehen die Gegensätze zwischen Malta und Gozo denn konkret? «Malteser sind laut. Sie haben mehr Geld als die Gozitaner und zeigen dies auch gerne», sagt Henriette Schweiger. Sie ist selber Gozitanerin und arbeitet auf der Insel als Reiseleiterin. «Gozitaner hingegen sind ruhig, selbstgefällig und sparsam.» Die Darstellung wirkt etwas klischiert, trotzdem wird sie im Verlauf unserer Reise mehrmals bestätigt. Etwa durch den Besuch des traditionellen Bauernhofes von Rikardu Zammit. Auf seinem Hof produziert er Ziegenkäse und Wein. Die lokalen Spezialitäten serviert er den Gästen in seinem eigenen Restaurant „Ta’Rikardu“ in Gozos Hauptstadt Victoria. Ein Gaumenschmaus.

Was Gozo ausmacht, ist die Vielfalt. Die Insel kann nicht mit kilometerlangen Sandstränden auftrumpfen. Zwar gibt es einige Strände, doch der Grossteil von Gozos Küste ist felsig und steil abfallend, was zuweilen sehr spektakulär aussieht. Etwa beim Anblick des Azure Window, der wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit der Insel. Wir besuchen das Naturphänomen an einem stürmischen, windigen Tag. Imposant klatschen die Wellen an den felsigen Torbogen und machen den Zuschauern bewusst, wie gnadenlos und brachial Naturgewalt sein kann.

Da Gozo klein und übersichtlich ist, bietet es sich an, die Insel auf alternative Arten zu erkunden. Wir testen zwei Möglichkeiten, beide sind empfehlenswert: Auf dem Rücksitz eines Jeeps lässt sich die Aussicht, die man von Gozos Strassen aus hat, uneingeschränkt geniessen. Mit dem Mountain-Bike wiederum lassen sich Strassen und Wege erkunden, die man mit dem Auto nicht passieren darf oder kann. Besonders attraktiv ist es, mit dem Bike direkt der Küste entlang zu fahren. Kommt dazu, dass die Landschaft auf Gozo relativ flach ist und man so mit dem Fahrrad keine erheblichen Höhenunterschiede zu überwinden hat. Die einzigen verbleibenden natürlichen Feinde des Radfahrers auf Gozo sind somit Wind und Wetter.

Am nächsten Tag geht es mit dem Schnellboot zurück nach Malta – und damit zurück in die Zukunft. Bei der Überfahrt fahren wir an Comino vorbei. Die kleinste Insel des maltesischen Archipels ist bekannt für die „Blue Lagoon“ – eine Bucht, in der das Meer bei schönem Wetter eine penetrant türkisfarbene Wasseroberfläche aufweist. Als wir am Touristenmagnet vorbeifahren, ist es bewölkt, es regnet leicht. Die Schönheit der Lagune lässt sich bloss erahnen.

Wir stehen vor dem Eingang zu Maltas Hauptstadt Valletta. Der Zugang zur Halbinsel, auf der die mittelalterliche Festung liegt, erfolgt über eine Fussgängerbrücke. Die geschichtsträchtige Stadt wirkt auf den Besucher altertümlich und modern zugleich. 2018 wird Malta Europas Kulturhauptstadt sein, dementsprechend herausgeputzt und aufgewertet präsentiert sich die Stadt bereits jetzt.

Stadttor und Parlamentsgebäude wurden durch den Stararchitekten Renzo Piano kürzlich neu interpretiert respektive erbaut, die Hauptachsen der Stadt sind autofrei. Valletta ist sowohl flächenmässig als auch von der Einwohnerzahl her die kleinste Hauptstadt Europas. Trotzdem strahlt die Stadt etwas Majestätisches, Unbeugsames aus. Geschichte wird hier fühlbar. Wer sich in die Gassen von Valletta begibt, dem sei ein Besuch in den Upper Barrakka Gardens empfohlen. Die Aussicht von hier aus ist schlicht wunderbar.

Ein samstagabendlicher Besuch in Maltas Ausgehviertel Paceville zeigt: Malta kann auch anders. Hier reiht sich Club an Club, es gibt Bars, Stripclubs, Bordelle und jede Menge billigen Alkohol. Wer sich in die Gassen von Paceville begibt, mischt sich unter vorwiegend junge Einheimische, Sprachstudenten und Partytouristen. Hier wird jeder zum potenziellen Kunden – und dementsprechend hartnäckig angeworben.

Immer sonntags, wenn im Fischerdörfchen mit dem unaussprechlichen Namen Marsaxlokk der wöchentliche Markt stattfindet, platzt der malerische Ort aus allen Nähten und wird von Touristen überhäuft. Parkplätze sind dann Mangelware, vor lauter Leuten wird man zwischen den Marktständen regelrecht herumgeschoben. Ein Besuch lohnt sich trotzdem, schon nur wegen den vielen „luzzu“ genannten, typisch maltesischen, farbigen Fischerbooten, die im Hafen liegen und vor stilechter Kulisse ein herrliches Fotomotiv bieten.

Malta, Gozo und Comino – drei Inseln, drei verschiedene Welten. Auf jeden Fall eine Reise wert, denn hier kommen alle auf ihre Kosten.

Reisezeit: Der maltesische Archipel liegt südlich von Sizilien und auf der Höhe von Tunesien, dementsprechend warme Temperaturen hat das Land aufzuweisen. Am heissesten wird es von Mitte Juli bis Mitte September mit Höchsttemperaturen von über 30°C. Für Sportferien und Städtereisen kann Malta ganzjährig besucht werden.

Reisehinweise: Schenkt man den Einheimischen Glauben, ist die Kriminalität auf Gozo praktisch inexistent. Auch auf Malta hält sich die Kriminalität in Grenzen. Trotzdem gilt: Nicht mehr Geld als unbedingt nötig bei sich tragen, Auto abschliessen und nichts Wertvolles darin liegen lassen.

Anreise: Air Malta fliegt Malta von April bis Oktober täglich mit einem Direktflug ab Zürich an. Zudem bietet die Swiss zwei- bis viermal wöchentlich Flugverbindungen nach Malta an. Easyjet fliegt zweimal wöchentlich ab Genf. Der Flug dauert etwas mehr als zwei Stunden. Wer Malta als Roadtrip-Ziel ansteuern möchte, nimmt vom italienischen Festland aus die Fähre nach Sizilien und von dort aus wiederum die Fähre nach Malta.

Unterkunft: Malta bietet Unterkünfte für jedes Reisebudget und für alle Ansprüche. Auf Gozo sind als Touristenunterkünfte sogenannte Farmhouses beliebt und preiswert.

Allgemeine Infos: Weiterführende Informationen unter visitmalta.com und rolfmeierreisen.ch.

Diese Reisereportage entstand mit Unterstützung von Rolf Meier Reisen.

Fotos (sofern nicht anders angegeben): Christian Häderli.

Eine Produktion der BZ Berner Zeitung.

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Zurück in die Zukunft
  1. Section 1
  2. Laute Malteser, genügsame Gozitaner
  3. Sand, Fels und brachiale Naturgewalt
  4. Gozo entdecken
  5. An der Polizei vorbei
  6. Zu Besuch in Europas künftiger Kulturhauptstadt
  7. Malerisches Fischerdörfchen
  8. Tipps & Infos
  9. Impressum